Wenn ein Wanderweg die Geschichte der deutschen Wiedervereinigung erzählen kann, dann ist es wohl diese Route durch das Bremketal zwischen Baunlage (West) und Elend (Ost). Wir starten am schönen Braunlager Kurpark und wenden uns auf dem Ramsenweg nach Osten. Am Kollie-Berg folgen wir einem Wegweiser, der scharf links über den Von-Langen-Rundweg zur Bremkebrücke führt. Die erst 2004 erbaute Holzbrücke überwindet auf wenigen Metern die ehemalige innerdeutsche Grenze, die bis 1990 genau in der Mitte des friedlich plätschernden Bächleins verlief. Auch heute noch wirken die Ufer merkwürdig fern – nur wenige Wege kreuzen das Gewässer.
Auf der anderen Seite, im Bundesland Sachsen-Anhalt, wandern wir nun auf dem Harzer Grenzweg, der sich heute als „Grünes Band“ und nicht mehr als Todesstreifen durch Deutschland zieht. Dennoch finden sich am Wegesrand immer wieder Überreste der früheren Grenzanlagen wie herumliegende Betonpfähle und Stahlteile. Wir folgen den Wegweisern Richtung „Kukkis Erbsensuppe“, einem Ort, der seine ganz eigene Geschichte der Wiedervereinigung erzählt und den wir ironischerweise auf dem früheren Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen erreichen – eine schier endlose Folge von Betonplatten, die sich schnurgerade durch die Landschaft ziehen. Wo der teils absurd steile Militärweg auf die alte Grenzstraße – die heutige B 27 zwischen Elend und Braunlage – trifft, eröffnete der ehemalige Grenztruppen-Offizier kurz nach dem Mauerfall seine erste Suppenküche mithilfe einer Gulaschkanone aus Restbeständen der NVA – und schuf damit eine echte Harz-Institution.
Dort sitzen wir also an schlichten Holzbänken ganz Corona-kompatibel im Freien, verputzen Erbsensuppe mit Würstchen und bestaunen den gewaltigen Andrang der hungrigen Gäste. Unser Rückweg führt über den Harzer Hexenstieg, den ich hier zuletzt vor zwölf Jahren in anderer Richtung absolvierte. Im Jahr 2020 ist der erste deutsch-deutsche Wanderweg hier kaum noch zu erkennen. Wie fast überall im Harz sind große Fichtenbestände dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen – ganze Hänge entwaldet.
Kurz bevor wir erneut die Bremke queren, erreichen wir das Grenzdenkmal an der B27. Ein zerbrochener und mit einem Metallschild zusammengefügter Findling symbolisiert dort das Ende der deutschen Teilung. Noch ein kleines Stück folgen wir der Straße und erreichen dann wieder den Von-Lange-Rundweg, der nach rund zehn Kilometern zum Kurpark in Braunlage führt.